Interview mit Christoph Wilhelm
Professor Christoph Wilhelm, PhD
Professor Wilhelm forschte von 2012-2015 am National Institute of Health in Bethesda. Heute ist er als Principal Investigator am Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie an der Universitätsklinikum Bonn tätig. Sein Forschungsschwerpunkt sind Mucosal Immunology und Innate Lymphoid Cells.
GAIN: Herr Professor Wilhelm, Sie haben von 2012 – 2015 am National Institutes of Health (NIH) geforscht. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen, wie hat sich dieser gestaltet und weshalb haben Sie sich 2015 wieder entschieden, nach Deutschland zurückzukehren?
Professor Christoph Wilhelm, PhD: Professor Ich bin bereits nach dem Diplom ins Ausland gegangen und habe meinen PhD in London gemacht. Schon damals schätzte ich das angelsächsische Bildungssystem sehr und wollte auch gerne in die USA. Ausschlaggebend für den Schritt, an die National Institutes of Health zu gehen waren der exzellente wissenschaftliche Austausch mit meiner Chefin im Interview und die herausragenden Forschungsbedingungen, die mir dort geboten wurden.
Ich bin von Anfang an mit der Prämisse in die USA gegangen, nach einer gewissen Zeit nach Deutschland zurück zu kehren, um meine Erfahrungen in das deutsche Bildungssystem einzubringen.
Rückkehrprogramme wie das Emmy Noether oder das NRW Rückkehrer Programm bieten die einzigartige Möglichkeit durch exzellentes Funding eine eigene Forschungsgruppe in Deutschland aufzubauen. Diese sehr guten Startbedingen haben es mir erst ermöglicht nach vielen Jahren im Ausland nach Deutschland zurückzukehren.
GAIN: Auf welchem Weg haben Sie Ihre Stelle als Professor an der Universität Bonn gefunden? Wie hat sich die Jobsuche gestaltet und welche Portale/Medien/Anlaufstellen waren für Sie dabei besonders hilfreich?
Professor Wilhelm: Ich bin vor allem zweigleisig gefahren: Einerseits habe ich Portale wie adacemics.de benutzt, andererseits habe ich auch gezielt Forschergruppen in Deutschland angeschrieben. Und über Netzwerke, wie beispielsweise GAIN, erfuhr ich, wo mittlerweile die Hotspots in Deutschland sind.
Bei der Universität Bonn hatte ich von Anfang ein gutes Gefühl – es bestand ein ernstes Interesse seitens der Universität mich nach Bonn zu holen und es wurde ein außerordentlich innovatives Umfeld mit vielen jungen Forschern sowie der Eindruck eines exzellenten Forschungsstandortes vermittelt.
GAIN: Welche Hilfen haben Sie bei Ihrer Rückkehr nach Deutschland erhalten, welche Unterstützung hätten Sie sich gewünscht?
Professor Wilhelm: Auf zahlreichen Veranstaltungen, wie beispielsweise auf der GAIN-Tagung, erhält man viele wertvolle Informationen und auch Kontakte, allerdings ist es notwendig selbst aktiv zu werden und die richtigen Ansprechpartner zu finden. Ein gezieltes Scouting seitens der Universitäten könnte diesen Schritt eventuell erheblich vereinfachen.
GAIN: Durch Ihre Forschungsarbeit in den USA und Deutschland kennen Sie beide Wissenschaftssysteme sehr gut. Was können die Deutschen von den amerikanischen Kollegen lernen? Und was könnten sich wiederum die Amerikaner von der Forschung in Deutschland abschauen?
Professor Wilhelm: Ein Faktor, der eine wichtige Rolle in den USA spielt, ist die We can do-Mentalität. Ideen werden von Grund auf positiv aufgenommen. Diese positive Einstellung, die im Übrigen auch genauso gegenüber Scheitern vorhanden ist – Scheitern wird als wichtiger Teil von Lernen angesehen – fand ich sehr angenehm.
Was in den USA ebenfalls sehr gut aufgebaut ist, ist das Tenure-Track-Modell. Es gibt nur einen akademischen Karriereweg und dieser ist sehr klar definiert. In Deutschland hingegen gibt es eine Vielzahl an Geldgebern und Förderprogrammen, die alle unterschiedlich aufgebaut und andere Voraussetzungen und Rahmenbedingungen haben.
Darüber hinaus sind in Deutschland viele Programme darauf ausgerichtet, Forscher aus dem Ausland zurückzuholen – für Bildungsinländer kann dieser Faktor eine Herausforderung werden.
Ein wesentlicher Vorteil in Deutschland ist die finanzielle Ausstattung von Forschungsstellen mit ‚hard money’, nicht drittmittelbasierten Geldern. Dies schafft den Raum, Perioden mit eventuellen Engpässen an Drittmittel durch Hausmittel abzufedern. Im Vergleich zu den USA kann dies den Existenzdruck verringern und eventuell die Qualität der Daten erhöhen.
Ein weiterer Punkt ist die weitgehende Selbstständigkeit von deutschen Studierenden. Das ist ein wichtiger Faktor, weshalb deutsche Postdocs in den USA auch sehr geschätzt werden.
GAIN: Was müssen aus Ihrer Perspektive heraus deutsche Hochschulen machen, um international noch attraktiver zu werden? In welchen Bereichen sehen Sie diese Veränderungsprozesse bereits?
Professor Wilhelm: Ich glaube, der Knackpunkt ist es, die deutsche Forschungslandschaft für Postdocs attraktiver zu gestalten. In Deutschland wird ein Großteil der Forschungsleistung von Doktoranden erbracht. In den USA und England hingegen wird die Forschung zu großen Teilen von Postdocs vorangetrieben. Die größere Erfahrung von Postdocs erhöht das Niveau von Forschungsgruppen in der Regel immens.
International müssen die besten Leute nach Deutschland gelockt und ihnen ein Umfeld angeboten werden, in dem sie progressiv arbeiten können. Die Schaffung von attraktiven und kompetitiven Tenure-Track Programmen ist hierbei ein wichtiger Schritt, dieses Ziel zu erreichen.
GAIN: Falls Sie in der Zeit 10 Jahre zurückgehen und Ihrem jüngeren Selbst Ratschläge geben könnten: Welche wären dies?
Professor Wilhelm: Do it again: Alles wieder genauso machen, wie ich es gemacht habe.
GAIN: Gibt es noch etwas, das Sie zum Abschluss des Interviews gerne an die GAIN Community weitergeben würden?
Professor Wilhelm: Ein Auslandsaufenthalt ist unheimlich bereichernd und eröffnet eine Vielzahl von Karrieremöglichkeiten – nicht nur akademischen und lohnt sich deshalb in jedem Fall.
Generell ist es klasse, was an deutschen Hochschulen und in deutschen Netzwerken gemacht wird, um Forscher zurückzuholen. GAIN hat mir persönlich viel geholfen.