Interview mit Claudia Peus
Professor Dr. Claudia Peus
Professor Peus beschäftigt sich an der Technischen Unviersität München (TUM) schwerpunktmäßig mit den personalen, organisatorischen und gesellschaftlichen Einflussfaktoren auf effektive Führung in Wissenschaft und Wirtschaft. Zwischen 2005 und 2007 forschte sie an der Harvard University und am Massachusetts Institute of Technology.
GAIN: Sie sind Professorin für Forschungs- und Wissenschaftsmanagement an der TU München. Der Weg zur Professur gilt als holprig und wenig planbar. Was raten Sie jungen Wissenschaftler/innen, die eine Karriere an der Hochschule anstreben?
Professor Dr. Claudia Peus: Einen Karriereplan oder so etwas hatte ich nicht, aber mich hat mein Fach und die Vielfalt des wissenschaftlichen Arbeitens total begeistert und so bin ich dann Schritt für Schritt weiter gekommen, habe dabei aber auch immer wieder Risiken in Kauf genommen.
Im Nachhinein war es sicher hilfreich, dass ich in meinem Doktorvater einen wunderbaren Mentor hatte und immer noch habe, mit dem ich auch in Kontakt geblieben bin als ich in den USA war (und unklar war, ob ich zurückkomme). Dort habe ich dann auch mit inspirierenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammenarbeiten dürfen, die mich z.T. wirklich herausgefordert haben. Dass ich dabei an bekannten Universitäten (MIT, Harvard) war, hat bei späteren Bewerbungen auf Professuren schon geholfen, glaube ich. Aber am Ende des Tages muss man schon wirklich brennen für sein Themenfeld und das ganze akademische Arbeiten, glaube ich, denn ohne eine ziemliche Frustrationstoleranz kommt man sicher nicht aus.
Also kurz gesagt, denke ich, ist es wichtig, in einem Feld zu arbeiten, für das man brennt, sich Mentoren/Mentorinnen zu suchen, die einen unterstützen, gewisse Risiken einzugehen und sich nicht abschrecken zu lassen.
GAIN: Sie haben einige Zeit in den USA geforscht und gearbeitet und kennen daher sowohl das deutsche als auch das amerikanische Wissenschaftssystem sehr gut. Was könnten die Deutschen von den amerikanischen Kollegen lernen? Und was könnten sich wiederum die Amerikaner von der Forschung in Deutschland abgucken?
Professor Peus: Was ich in den USA wirklich toll fand war, dass als man als Nachwuchswissenschaftler(in) wirklich ernst genommen wird. Ich hatte den Eindruck, man bekommt dort eher eine Chance “mitzumachen” – unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, etc. (wobei die Diversität gerade an den Top Unis auch begrenzt ist).
Auf der anderen Seite hat mich in den USA oft gestört wie sehr jeder Einzelkämpfer ist. An der TU München finde ich es wirklich toll, wie viel Kollaboration es gibt. Sowohl unter Kolleginnen und Kollegen als auch z.B. in meinem Team. Ich bin wirklich begeistert wie da jeder dem anderen hilft und wie Forschungsideen gemeinsam entstehen und dann auch umgesetzt werden. Diesen eher kollaborativen Ansatz erlebe ich als sehr fruchtbar – für alle. Ich glaube, er ist in Deutschland verbreiterter als in den USA.
Ein weiterer Punkt, der mich in den USA immer wieder gestört hat, den ich aber in Deutschland auch häufig sehe, ist die rein strategische Ausrichtung der Forschung. Sicher sollte man sich nicht sehenden Auges auf Bereiche konzentrieren, die in die Sackgasse führen, aber für mich ist die Wahl von Themen, für die man wirklich Herzblut hat, ein entscheidender Punkt warum Wissenschaft überhaupt so attraktiv ist. Ich glaube, dass man da in Deutschland doch häufig noch etwas weniger “marktorientiert” agieren darf.
GAIN: Für Frauen scheint die Karriere in der Wissenschaft oft noch mehr Stolpersteine bereit zu halten als für männliche Kollegen. Können Sie dies bestätigen und worin liegen mögliche Gründe hierfür? (Aus Studien und/oder persönlichen Erfahrungen)
Professor Peus: Nun, da wir auch zu diesem Gebiet forschen wird eine kurze Antwort jetzt schwierig… Generell gibt es Barrieren auf der Ebene des Individuums (z.B. geringeres Selbstbewusstsein, geringere Risikoneigung von Frauen), der Organisation (z.B. weniger Zugang zu wichtigen Mentoren oder Netzwerken) und des Systems (z.B. Stereotype). Stereotype sind deshalb so einflussreich, weil sie sowohl auf die anderen beiden Ebenen wirken, als auch einen deutlich messbaren Einfluss darauf haben wie die Leistung einer Person beurteilt wird. Studien, bei denen sich die Unterlagen nur im Namen (weiblich vs. männlich) unterscheiden, zeigen deutliche Ergebnisse.
Insgesamt werden Männern mehr Eigenschaften zugeschrieben, die man für eine Führungskraft (Manager wie Professor) für charakteristisch hält – wie leistungsorientiert, zielstrebig, durchsetzungsstark. Dies führt dazu, dass Männer tendenziell für kompetenter gehalten werden und man ihnen auch mehr wissenschaftliches Potential zuschreibt, wie zahlreiche empirische Arbeiten zeigen.
Trotzdem gibt es natürlich viele erfolgreiche Wissenschaftlerinnen und die Zeit für Frauen in der Wissenschaft war sicher nie zuvor so gut wie heute. Um aber generell die besten Talente (unabhängig von Geschlecht, Herkunft etc) für die Wissenschaft zu gewinnen ist eine strukturierte, systematische Personalauswahl besonders wichtig (vgl, Peus, Braun, Hentschel & Frey, 2015).
GAIN: Zu welchen Strategien raten Sie speziell jungen Wissenschaflterinnen, die eine Professur anstreben?
Professor Peus: Ich glaube es ist hilfreich, wenn sie sich aktiv Vorbilder und Mentoren suchen und diese gezielt ansprechen. Die meisten geben ihr Wissen und ihre Erfahrungen gern an junge Wissenschaftlerinnen weiter, gerade wenn diese sie gut vorbereitet und mit einem konkreten Anliegen ansprechen. Dabei ist es sicher klug, sowohl von Wissenschaftlerinnen als auch Wissenschaftlern zu lernen, denn vom eigenen Geschlecht kann man sich erfolgreiche Verhaltensweisen besser abgucken, von Männern aber auch viel darüber lernen, wie die dominante Kultur aussieht und wie man darin auftreten muss.
Dann ist es sicher auch eine gute Strategie, gerade kritisches Feedback als Lernchance zu sehen – es aber nicht persönlich zu nehmen. Schließlich muss ich Sheryl Sandberg zustimmen: die wichtigste Karriereentscheidung ist die Wahl des Partners bzw. der Partnerin. Ich glaube, wenn man jemanden an seiner Seite hat, der gegen die eigene wissenschaftliche Karriere ist, hat man es wirklich schwer. Da hatte ich sehr viel Glück, denn mein Mann ist selbst begeisterter Wissenschaftler.
GAIN: Welche Tipps würden Sie jungen Wissenschaftler/innen an die Hand geben, die derzeit in den USA forschen und arbeiten, jedoch perspektivisch wieder nach Deutschland zurückkehren wollen?
Professor Peus: Für eine Rückkehr nach Deutschland ist es natürlich sehr hilfreich, über Kontakte dort zu verfügen. Entsprechend würde ich raten, diese zu (re-)aktivieren – z.B. auf Kongressen oder über gezielte Einladungen oder Besuche bzw. gemeinsame Projekte.
Weiterhin lohnt es sich sicher, die vielen Programme, die es für Rückkehrer in Deutschland mittlerweile gibt, zu recherchieren. Hier haben sowohl viele Stiftungen als auch Universitäten sehr interessante Möglichkeiten zu bieten (wie z.B. das TUM Tenure-Track Modell, bei dem explizit ein längerer Auslandsaufenthalt der Bewerber gefordert ist).
GAIN: Gibt es noch etwas, das Sie der GAIN-Community mitteilen wollen?
Professor Peus: In meiner Funktion als Vizedekanin der TUM School of Management mit dem Fokus auf Management-Weiterbildung habe ich immer wieder Einblicke in die Wirtschaft, die mir zeigen, wie viel mehr Freiheit und Handlungsspielraum man in der Wissenschaft im Vergleich auch zu hochrangigen Managern in der Wirtschaft hat. Auch wenn der Weg dorthin wirklich nicht einfach ist.