Interview mit Korbinian Riedhammer
Professor Dr. Korbinian Riedhammer
Professor Riedhammer ist heute an der Hochschule Rosenheim als Informatikprofessor tätig. Davor hat er mehrere Jahre an der University of California, Berkeley geforscht und sein eigenes Startup, Remeeting, gegründet. Seine Forschungsschwerpunkte sind Spracherkennung und –verarbeitung sowie Biometrie (Stimme).
GAIN: Herr Riedhammer, Sie haben öfters längere Aufenthalte in Kalifornien verbracht und dort sowohl geforscht als auch ein Start-Up mitgegründet. Wie ist es zu diesen Aufenthalten gekommen und weshalb haben Sie sich 2016 dann doch für die Rückkehr entschieden?
Professor Dr. Korbinian Riedhammer: Ich wollte als Student schon immer mal in die USA, am besten auch noch an einen renommierten Ort. Während des Studiums war das schwierig: ohne Diplom war man dort damals ein undergrad, hätte einerseits einem anderen Semesterplan folgen, und andererseits horrende Studiengebühren bezahlen müssen.
Mein Doktorvater hat mir dann 2008 mein erstes Forschungsjahr am International Computer Science Institute in Berkeley ermöglicht. Dort hat es mir dann so gut gefallen, dass ich nochmals als Doktorand, dann als Postdoc und schließlich als Firmengründer zurückgekehrt bin.
Die Rückkehr hat vor allem persönliche Gründe: Meine Frau war zwar abschnittsweise mit drüben, aber für uns war klar: Sesshaft werden wir daheim – das Sozialsystem ist einfach kein Vergleich zu unserem und wir sind obendrein beides Familienmenschen. Die Westküste ist dann doch sehr weit von Zuhause entfernt mit 12 Flugstunden und 9 Stunden Zeitverschiebung!
GAIN: Auf welchem Weg haben Sie dabei Ihre Stelle als Informatikprofessor in Rosenheim gefunden? Mit dem Ortswechsel haben Sie auch den eher ungewöhnlichen Schritt von der Startup-Tätigkeit zurück in die Forschung gemacht: Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Professor Riedhammer: Reiner Zufall. Ich wollte eigentlich immer schon im akademischen Bereich tätig sein, es ist nur ein unglaublich unsicherer Weg dorthin, wenn man ihn „normal“ geht: Seit der Mittelbau nahezu abgeschafft worden ist, kann man sich eigentlich nur von Zeitvertrag zu Zeitvertrag hangeln (auch eine Juniorprofessur/W1 ist ein Zeitvertrag!), und Professuren (W2 wie W3) sind sehr rar gesät. Eine W1 hatte ich als Postdoc noch kurz erwogen.
Doch als ich vor die Wahl gestellt wurde, als Informatiker mit Schwerpunkt Mustererkennung bzw. maschinellem Lernen in die Industrie zu gehen, dabei einen relativ hohen Forschungsanteil mit sehr guten Verdienst zu haben, oder in der Wissenschaft zu bleiben und dafür ungewisse Jobaussichten, deutlich niedrigere Gehälter und oft verkorkste Projektanträge in Kauf zu nehmen, war die Wahl für mich einfach.
Trotzdem hatte ich immer ein Auge auf Ausschreibungen von Professorenstellen (z.B. über den wöchentlichen Stellennewsletter bei Academics), und so habe ich die Stelle in Rosenheim gefunden, mich beworben, und das hat dann überraschenderweise auf Anhieb geklappt. Das Timing war auch gut: meine Frau hat im Oktober ihre Masterarbeit in Berkeley abgeschlossen, und wir wollten beide zurück nach Deutschland.
GAIN: Wie hat sich der Übergang von der Start-up Tätigkeiten zurück in die Forschung gestaltet? Sind Sie dabei besonderen Herausforderungen begegnet?
Professor Riedhammer: Der Wechsel meiner Tätigkeit ist nicht so groß wie man vielleicht vermutet. Unser Startup entwickelt Systeme um Sprachdaten mit hoher Genauigkeit zu transkribieren, nach Sprechern zu trennen und durchsuchbar zu machen. All das ist sehr forschungsnah, und tatsächlich haben wir auch ein großes Forschungsprojekt mit der US HSARPA. Meine „angewandte“ Tätigkeit rund um Softwareentwicklung und Produktdesign bzw. -entwicklung fließt direkt in meine Lehrtätigkeit hier an der Hochschule ein.
GAIN: Was haben Sie während Ihrer Zeit als Gründer im kalifornischen Start-Up Umfeld gelernt, das Sie persönlich auch jetzt in der Wissenschaft und Lehre anwenden können (va. Skills und Erfahrungswerte)?
Professor Riedhammer: Die Liste ist zu lang, um sie hier ganz aufzuführen und hat oft mehr mit Gründung im Allgemeinen bzw. mit der Entwicklung eines Produkts zu tun als der doch eher “nutzerfernen” Forschung. Darunter möchte ich vor allem drei Dinge herausstellen:
Als erstes sicherlich die Präsentationsfertigkeiten: Das häufige pitchen vor Investoren (wir hatten mehrere Phasen mit 3-4 Investoren pro Woche) hilft selbstbewusst aufzutreten, schafft Übung im Bindungsaufbau mit dem Publikum und gibt Sicherheit im freien Vortrag.
Dazu kommen die Interviewfertigkeiten: Eine zentrale Aktivität im Design und in der Entwicklung von Produkten ist das Interview mit Stakeholdern im Ökosystem, also dem wirtschaftlichen Umfeld des Produkts (Nutzer, Käufer, Entscheider, etc.). Nach gut 100 Interviews hat man eine gewisse Übung schnell und zuverlässig an die tatsächlich gesuchten Informationen zu kommen, aber das Gespräch trotzdem organisch und vor allem zuhörend zu gestalten. Man lernt die richtigen Fragen zu stellen.
Nicht zu verachten ist natürlich auch, dass nach knapp 5 Jahren drüben das (technische) Englisch so gut sitzt, dass man irgendwann Wortwitze nicht nur versteht, sondern auch selbst macht.
GAIN: Was haben Sie besonders am amerikanischen Entrepreneurship-Umfeld geschätzt? Wovon könnte sich Deutschland etwas abschauen – und umgekehrt, von welchen deutschen Tugenden und Arbeitsweisen könnten sich die Amerikaner etwas abschneiden?
Professor Riedhammer: Drüben fragt man weniger was man studiert hat, sondern mehr, wo man studiert hat und was man kann. Zwei unserer Softwareentwickler sind Quereinsteiger: Ein Lehrer für Schwererziehbare und eine Controllerin.
Was ich weiterhin schätze ist die soziale und politische Offenheit der Leute, zumindest in der Bay Area. Es ist sehr leicht mit Leuten in Kontakt zu kommen. (Allerdings ist es auch leicht, den wieder schnell zu verlieren.) Traditionell gilt für Amerikaner „work hard, play hard“, wobei deutlich mehr Zeit für die Arbeit als das Spielen allokiert wird (15 Tage Urlaub sind die Norm). Das doch eher deutsche Konzept „work smart“ sollten die sich mal anschauen: Es ist nicht nur die Anzahl Stunden die man arbeitet, sondern die Leistung, also Arbeit pro Zeit, die erbracht wird. Aber auch das wird dort besser.
GAIN: Welche Tipps würden Sie Forschern geben, die an der Gründung eines eigenen Unternehmens interessiert sind?
Professor Riedhammer: Drei Dinge: Es mag trivial klingen, aber zunächst muss die (technische) Innovation ein wirkliches Problem auf einem Gebiet lösen, auf dem es Geld zu holen gibt. Das kann ein Verbraucherprodukt sein (z.B. eine App oder ein Gegenstand), welches millionenfach verkauft werden kann. Oder es handelt sich um eine technische Komponente, welche in geringer Zahl für Millionen verkauft wird.
Zweitens: Forscher sind in der Regel technische Gründer und brauchen als solches entweder den Willen und das Talent, sich das Unternehmerische anzueignen oder einen guten Partner. Denn sowohl die Technik als auch das Verkaufen sind wichtig.
Und das bringt mich zum dritten Aspekt: Nicht alleine gründen, auch nicht mit zu vielen, aber in jedem Fall mit den richtigen Persönlichkeiten. Wir sind zu zweit, beide sehr analytisch/rational und ergänzen uns deshalb gut. Im Start-Up gibt es genug Stress und Ärger – es ist besser, wenn die Herausforderungen auf mehreren Schultern verteilt sind.
GAIN: Falls Sie in der Zeit 10 Jahre zurückgehen und Ihrem jüngeren Selbst drei Ratschläge geben könnten: Welche wären dies?
Professor Riedhammer: Das ist schwierig, denn eigentlich würde ich alles genauso wieder machen. Vielleicht: Bleibe freundlich und optimistisch, vertraue dir selbst, und schaffe dir Möglichkeiten um die Wahl zu haben.
GAIN: Gibt es noch etwas, das Sie zum Abschluss des Interviews gerne an die GAIN Community weitergeben würden?
Professor Riedhammer: Die Erfahrungen, die ich im Ausland gemacht habe, sind unbezahlbar, sowohl fachlich wie kulturell und privat, daher kann ich dies jedem nur empfehlen. Die Entscheidung ob man dann „drüben“ bleibt, muss jeder selbst treffen. Und: Netzwerken ist tatsächlich alles – auch in der angeblich fakten- und leistungsorientierten Forschung. Und zwar sowohl im Ausland als auch in Deutschland, zumindest, wenn man mal zurückkommen möchte.