GAIN im Gespräch mit Prof. Dr. Wolfram Ressel, Rektor der Uni Stuttgart und Dr. Wolfgang Holtkamp, Senior Advisor International Affairs, Uni Stuttgart

Prof. Dr. Wolfram Ressel, Rektor der Uni Stuttgart (Mitte) und Dr. Wolfgang Holtkamp, Senior Advisor International Affairs, Uni Stuttgart (rechts) im Gespräch mit einem Postdoc auf der GAIN-Jahrestagung 2023 in Boston, MA.

GAIN: Sie kommen seit vielen Jahren zur GAIN Jahrestagung. Welche Bedeutung hat die GAIN für die Uni Stuttgart? Was ist die Motivation, Jahr für Jahr mit so viel Einsatz zur Tagung zu kommen?

Ressel: Lassen Sie es mich mal so sagen: Im Bereich der Personalgewinnung auf Ebene der Professorinnen und Professoren ist die GAIN-Tagung und Messe mit Abstand die wichtigste Konferenz!

Die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in ihrer Postdoc-Phase in die USA gegangen sind und dann irgendwann, aus welchen Gründen auch immer, zurück nach Deutschland wollen, nutzen die GAIN-Tagung. Das sind in der Regel genau diejenigen, die wir für die Universität Stuttgart interessieren wollen. Ich kenne keine andere Messe auf der Ebene der Professorenschaft, bei der wir die Gelegenheit haben, aus ganz Nordamerika die Besten der Besten wieder nach Deutschland zu holen. Natürlich machen wir dort Werbung für Stuttgart, das ist klar, dafür fahren wir ja zur GAIN.

In den letzten Jahren waren wir in dieser Hinsicht schon mehrfach erfolgreich. Wir haben Professorinnen und Professoren gewonnen, einfach auf der Grundlage der Gespräche am Beratungsstand der Universität: Wenn mein Kollege am Beratungstisch mir sagt, dass jemand mit mir reden möchte, dann komme ich natürlich hinzu und daraus entwickelt sich quasi eine Art „Berufungsverfahren“. Das haben wir mehrfach schon erleben dürfen, nicht nur auf der Ebene der Professur. Auch als Gruppenleiterin oder Gruppenleiter haben wir Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler gewinnen können, die dann den nächsten Karriereschritt gemacht haben oder für eine Juniorprofessur zu uns nach Stuttgart gekommen sind.

Und ich muss sagen, das sind einfach sehr gute und intensive Gespräche!  Jedes Jahr begegnen wir dort Persönlichkeiten, die sehr an Informationen zur Universität interessiert sind: Sie alle wollen, sie alle machen, sie alle weisen nach, dass sie auf höchster Ebene forschen. Alle sind an renommierten Einrichtungen, ob an der Standford University, am MIT, ob an der Harvard University oder an vielen anderen Universitäten, z.B. in Michigan oder in Georgia oder in Texas, egal wo. Sie kommen zur GAIN-Tagung an unseren Stand und bekommen dann dort einen persönlichen Eindruck und ich kann mir ebenfalls ein Bild von ihnen machen. Natürlich müssen sie dann das gesamte Berufungsverfahren in der Fakultät durchlaufen, wie alle anderen Bewerberinnen und Bewerber auch, aber ich gebe meinen Eindruck von der GAIN-Jahrestagung nach Stuttgart weiter. Bei den Gesprächen am Stand sage ich auch: „Bewerben Sie sich bitte, dieses und jenes müssen Sie noch tun“. Eine Garantie ist das nicht, aber oft setzen sie sich im Laufe der Berufungsverfahren tatsächlich durch und werden dann von den Berufungskommissionen eingeladen!

Dieses Anbahnen von Beziehungen, wenn man der Meinung ist, da könnte sich etwas entwickeln, das ist die GAIN-Tagung! Das ist einfach super! Ich kenne keine andere Messe oder Konferenz, auf der Menschen mit einem solch hohen Potential zusammenkommen, mit denen wir sofort ins Gespräch kommen und zu denen wir eine Beziehung aufbauen können, die dann auch zur Berufung führen kann. Das ist der ideale Weg.

GAIN: Liegt Ihr Interesse also darin begründet, dass es in Deutschland selber keine vergleichbaren Formate gibt oder liegt es auch daran, dass Sie besonders viel Potential in den Postdocs sehen, die im Ausland sind?

Ressel: Wenn bei uns Exzellenzcluster begutachtet werden und wir haben zwei hier in Stuttgart, erfolgt das durch international peers. Die schauen genau auf den Werdegang der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: Berufen wir international? Oder waren zumindest die, die wir berufen haben, eine Zeit lang im Ausland? Wird die Internationalisierung auch wirklich von der Universität umgesetzt? Und hierfür ist die GAIN-Tagung eine ideale Plattform des Austausches.

GAIN:  Wo finden diese Gespräche vor allem statt, diese Anbahnungen von Beziehungen, die dann vielleicht in einem Berufungsverfahren münden? Am Stand der Uni Stuttgart? Bei der Lunch Session oder in einem Workshop? Kommen Sie mit konkreten Ausschreibungen zur GAIN Jahrestagung?

Ressel: Ich glaube es ist der Mix, der es ausmacht. Ich muss hier ganz offen sagen, dass ohne unseren Senior Advisor für International Affairs, Herrn Dr. Holtkamp, dieser Ablauf nicht funktionieren würde. Herr Holtkamp macht das jetzt schon seit vielen, vielen Jahren mit Umsicht und hoher Güte. Den kennen mittlerweile viele. Und Mr. Holtkamp ist nicht nur wegen seines Bartes bekannt, sondern einfach, weil er eine Kontinuität darstellt, die Vertrauen transportiert. Dabei geht es nicht nur um die Vereinbarung von Gesprächsterminen mit den Postdocs, sondern auch um die Vorbereitung der Gespräche.

Aber weil Sie diese Frage hatten: Es ist der Mix. Erste Gespräche finden tatsächlich in der Regel während der Messe am Stand statt. Sie werden dann gegebenenfalls während der Lunch Session vertieft. Es kann dann auch persönlich werden, zum Beispiel bei Dual Career-Fragen. Oft trifft man sich nicht nur einmal, sondern zweimal oder dreimal und ist dann auch über E-Mail in Kontakt mit denjenigen, die gerne wieder nach Deutschland kommen wollen und die ihre künftige Heimat eventuell in Stuttgart sehen. Das ist meistens ein Prozess und es sind mehrere Gespräche. In Boston oder in San Francisco oder in Bonn. Es ist nicht nur ein Gespräch und ein Treffen, sondern man muss sich kennenlernen.

Holtkamp: Das kann ich aus meiner Erfahrung bestätigen. Seit einigen Jahren bietet die GAIN-Messe den Ausstellern Zugang zu den CVs der GAIN-Besucherinnen und -Besucher an. Der Vorlauf dafür ist in den letzten Jahren sogar besser geworden. Und das ist gut, weil ich dann die Profile der Postdocs lesen kann. Diejenigen, die für die Universität Stuttgart interessant sein könnten, schreibe ich an. Das sind mehr, als dann tatsächlich an den Stand kommen. Und da ist das Feedback natürlich „Hey, da schreibt uns jemand an. Da hat sich jemand mit uns beschäftigt“. Oder wir bieten mit unserer Einladung eine Art Start für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, also einen Beratungsstand, an dem sie mit ihren Gesprächen beginnen können. Für das Gespräch können wir über das Konferenztool Converve Slots vergeben. Außerdem weiß ich, wann Prof. Ressel z.B. in den Workshops ist, wann er andere Termine hat und wann er am Beratungstisch sein kann. Manchmal bitte ich ihn auch spontan zum Gespräch hinzu. Das haben wir alles schon erlebt. In den Profilen der Teilnehmenden sehe ich z.B auch, ob jemand aus Süddeutschland kommt oder in Stuttgart studiert hat. Das ist ein Beispiel dafür, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch mit ihrer Biographie wahrzunehmen. Nur dann, glaube ich, können wir sie authentisch für uns gewinnen. Denn Roboter haben wir schon.

Ressel: Darüber hinaus ist es wichtig, die GAIN-Besucherinnen und -Besucher zu informieren. Viele kennen das deutsche Hochschulsystem nicht oder nicht mehr und fangen beim Verständnis des Hochschulsystems von vorne an. Auch das zeigt, wie wichtig die GAIN-Tagung ist. Viele haben den Wunsch, wieder nach Deutschland zu gehen, z.B. weil sie Kinder haben und die Schulausbildung der Kinder in den USA sehr kostenintensiv sein kann. Da mischen sich oft private und berufliche Gründe. Und dann muss man sie abholen und wieder an das deutsche Hochschulsystem heranführen. Beim Lunch Meeting, an unserem Stand oder in den Workshops können wir dann auch über Details reden. Auf diese Weise entwickelt sich eine Art von Enthusiasmus.

Das Interesse der Universität Stuttgart ist, auf dem Markt der künftigen Professorinnen und Professoren international zu rekrutieren. Wie gesagt, wir haben schon einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für die Universität Stuttgart auf der GAIN-Tagung gewinnen können. Sie sind dann später die besten Testimonials für die Universität und für das German Academic International Network (GAIN).

GAIN: Herr Ressel und Herr Holtkamp, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und freuen uns auf die nächste GAIN mit Ihnen!

Das Gespräch fand am 29.11.2022 mit Anna Oberle-Brill und Charlotte Droell (GAIN) statt.